Die unendliche Geschichte im Schlafzimmer
- Bérénice Schneider

- 31. Juli 2021
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Jan. 2023
Im Schlafzimmer in der Stadtwohnung hatten wir einen Wasserschaden. Es begann im letzten Dezember, als aus dem Rohr zum Heizkörper Wasser tröpfelte. Zunächst nur wenig und auch nur dann, wenn man den Heizkörper andrehte. Wir wischten die kleine Pfütze weg und meldeten dem Vermieter das Problem. Nach ein paar Wochen wurden die Pfützen größer und wir wischten häufiger. Dann stellten wir eine Schüssel unter das vermutete Leck und informierten den Vermieter erneut. Dieses Mal mit mehr Nachdruck.
Im Februar war zwar noch immer kein Handwerker da gewesen (Corona – Fachkräftemangel – Bauboom, sagte der Vermieter), dafür bildeten sich im Boden rund um den Heizkörper bis in die nächste Zimmerecke Bläschen. Ich rief wieder beim Vermieter an, sagte, ja, ich wüsste: Corona – Fachkräftemangel – Bauboom, aber ich würde morgen den Handwerker seiner Wahl empfangen oder aber einen eigenen beauftragen.
Sein Handwerker kam noch am selben Tag. Er machte große Augen, als er den Boden im Schlafzimmer sah und fragte, weshalb er nicht eher bestellt worden wäre. Corona – Fachkräftemangel – Bauboom, Sie wissen schon, sagte ich. Er schüttelte den Kopf und riss das Laminat auf. Die Verlegeplatten darunter: völlig nass. Der Handwerker deutete auf das Rohr direkt an der Heizung, es war in einem sehr seltsamen Winkel verdreht, und zeigte mir Rost. Dort sei seit Wochen Wasser rausgetröpfelt, erklärte er. Also vermutlich Wochen, bevor ich es bemerkte.
Dann verschwand er, kam schließlich mit einem Bautrockner und neuen Heizungsrohren wieder. Er sagte, er verstehe nicht, warum die Kollegen die alten Rohre so verwinkelt eingebaut hätten. Das sei viel aufwendiger, als wenn sie es richtig gemacht hätten. Der Handwerker tauschte also die kaputten Rohre, dann verabschiedete er sich. Der Bautrockner blieb.
Echtes Holz? Bloß nicht! Der Aufwand, die Pflege, der Nutzen und überhaupt: Corona – Fachkräftemangel – Bauboom.
Nach ein paar Tagen rief der Vermieter an und bat mich, das Schlafzimmer zum Soundsovielten leer zu räumen, dann käme der Fußbodenleger, um einen neuen Boden zu verlegen. Wenigstens würde ich auf diese Weise also das elende Laminat loswerden, tröstete ich mich. Unter den Verlegeplatten, das hatte ich schon gesehen, liegen noch die alten Dielen. Ich schlug also vor, dass der Bodenleger sein Schleifgerät mitbringen sollte und wir den alten Holzboden wieder freilegen könnten. So viel schöner, so viel hochwertiger. Nein, das würden sie nicht machen, erfuhr ich. Der Aufwand und die Pflege und der Nutzen und überhaupt: Corona – Fachkräftemangel – Bauboom. Also wieder Laminat. Aber sehr schönes und hochwertiges und ich würde keinen Unterschied feststellen zu echtem Holz.
Das brachte mich zu der Frage: Warum ersetzt man Dinge durch Surrogate? Weshalb einen egal wie teuren Abklatsch von Holz mit viel Mühe verlegen, wenn man ebenso gut einfach, nun ja, das bereits verlegte Holz reaktivieren könnte? Es ist ja nicht so, dass wir hier von einer Holz-Fassade in einem Termiten-verseuchten Gebiet sprechen würden. Da kann ich verstehen, dass man auf Baustoffe setzt, die zwar wie Holz aussehen aber keines sind. Aber hier?
Egal, ich schweife ab. Zurück zum Wasserschaden. Der anvisierte Termin platzte: Der Boden war trotz Bautrockner noch immer nass. Und blieb es noch lange – die Verlegeplatten wollten und wollten nicht trocknen. Anfang Juni schließlich kam der Bodenleger, entfernte das restliche alte Laminat (nicht aber die darunterliegenden Platten), spachtelte alles über und verlegte neues Holzimitat. Der Vermieter hatte insoweit recht, dass das Neue viel besser aussieht als das Alte. Aber eben lange nicht so gut wie die echten Dielen darunter.
Ich wollte ihm zum Feierabend eben einen Kaffee anbieten, da kam der Handwerker zu mir in die Küche. Er würde dann jetzt die Fußbodenleisten wieder anbringen. Das Wieder war es, das mich stutzig machte. Und tatsächlich: Er wollte eben die alten Leisten an der Wand befestigen. Nun ist der neue Boden grau, der alte hatte mehr eine gelbliche Farbe, ebenso wie die Fußbodenleisten.
Um es kurz zu machen: Wir stritten ein wenig, ich wollte nicht glauben, dass es keine schlichten weißen Leisten gäbe. Schließlich ging er mit der Drohung, dass ich wohl ein paar Wochen auf die weißen warten müsse, die seien nicht vorrätig.
Nun, das Warten hatten wir bereits in den letzten Monaten gelernt, es schreckte mich also nicht besonders.
Nach zwei Wochen meldete sich der Vermieter wieder: Morgen käme der Handwerker mit den weißen Leisten. Wir räumten also wieder alles aus. Dieses Mal kam ein anderer. Er kam um kurz nach sieben. Um neun bat er um einen Kaffee und sagte, der Bodenleger hätte Mist gebaut. Das neue Laminat reiche nicht bis an die Wand. Um zehn kam er wieder ins Arbeitszimmer, in der Hand ein Stück weißer Fußbodenleiste. Ich möchte doch mal mit kommen. Im Schlafzimmer hielt er die Leiste an die Wand und zeigte auf den Boden. „Da, sehen Sie, da ist ein Spalt zwischen Laminat und Leiste.“ Dann schloss er den Spalt und deutete zur Wand. „Und jetzt hab ich den Abstand hier. Das ist auch scheiße.“, so seine Worte.
Inzwischen glaubte ich längst jedes Wort meines Vermieters. Er hatte definitiv Recht gehabt, vor allem mit dem Fachkräftemangel.
Mehr als Corona und Fachkräftemangel macht sich jetzt der Bauboom bemerkbar: Es gibt das entsprechende Holz für die Leisten nicht.
Nun soll der Schreiner kommen und Leisten aus Holz bauen. Allerdings macht sich jetzt mehr als Corona und der Fachkräftemangel vor allem der Bauboom bemerkbar: Anscheinend gibt es das entsprechende Holz nicht, das er braucht. Jedenfalls wurde der Termin bereits zweimal verschoben. Wir erwarten den Schreiner nun im Oktober.
In der Zwischenzeit hat übrigens die Heizung im Bad zu tropfen angefangen. Noch sind es kleine Pfützen, wir wischen sie immer auf. Der Vermieter ist informiert. Ich bin zuversichtlich: Bis das Badezimmer fertig ist, dürften wir zumindest Corona hinter uns gelassen haben.


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